“Unser Antrieb war immer die Sehnsucht, die eigene Stimme
im Jetzt zu finden, weiter zu suchen, auch zu scheitern und
wieder von vorne anzufangen.”
So beschreibt Bernie Mallinger, Gründer des radio.string.quartet, die Initialzündung dieses außergewöhnlichen Ensembles. In einer Zeit, in der die Musikindustrie mehr denn je von einer Suche nach etwas Neuem, nicht dagewesenem mitgeprägt ist und viele Konzertveranstalter sich nach einem Modell für zukünftige Besuchergenerationen umsehen, hat sich das Quartett aufgemacht, in ihren eigenen, persönlichen Spuren nach Musik zu suchen und dadurch eine einzigartige Sprache entwickelt, die sich in ihrer Konsequenz und Ehrlichkeit als tiefgehender als ein bloß kalkuliertes Crossover erweist. Als Streichquartett findet auch das radio.string.quartet wie jedes andere Ensemble dieser Gattung seine Wurzeln in der klassischen Musik.
Nun ist die klassische Musik aber schon geschrieben und in ihrer Größe zumeist unantastbar. r.s.q war dieses Repertoire bald nicht genug, weil irgendwann der persönliche Bezug fehlte: So sind seit Beginn dieser Suche alle Kompositionen und Arrangements für das Quartett vom Quartett selbst geschrieben, was der Gruppe ein Alleinstellungsmerkmal unter den klassischen Ensembles dieser Welt verleiht. In seiner Musik schöpft das r.s.q also aus dem Ozean seiner Fantasie, dessen Zuläufe ebenso vielfältig sind wie Musik im Allgemeinen: Man hat sich ein Leben lang mit klassischer Musik beschäftigt, genauso aber mit Musik der Renaissance und des Barock, Avantgarde, Rock-, Popmusik. Wie lange vor ihnen Franz Schubert und Bela Bartok schöpft auch das Quartett auf seine Weise aus der Volksmusik. So hat man beispielsweise gemeinsam mit Bugge Wesseltoft Alben produziert, sich intensiv mit der Fusion-Musik der 1970er Jahre auseinandergesetzt, mit Granden der österreichischen Szene die Alpen zum glühen gebracht, mit Techno-Pionier Henrik Schwartz an Debussy geschraubt.
Durch die 10-jährige Zusammenarbeit mit dem Münchner Plattenlabel ACT immer wieder mit Jazz assoziiert, sieht man sich diesem Begriff durch die ständige Suche nach neuen Ausdrucks- und Spielformen sehr wohl verbunden – im Speziellen beschreibt er die Musik des Ensembles nur sehr unzureichend. Zeitgenössisch? Natürlich - aber sicher nicht nur im Sinne des Begriffs der zeitgenössischen Musik. radio.string.quartet ist ein stilistischer Mehrzeller, ein Mikroorganismus, in dem die einzelnen Zellen miteinander kommunizieren und so in Ihrer Gesamtheit ein eigenes, einzigartiges Lebewesen ergeben. Ein neu entdeckter Kosmos, Zukunft mit alten Wurzeln vereinend. Doch ob es nun Arrangements oder Originalkompositionen sind – es ist sein unverkennbarer Klang, der „Trademark-Sound“, der das Quartett von allen artverwandten Ensembles unterscheidet.
Schmeichelnd, fordernd, suchend, wild, zerbrechlich, enthusiastisch, dramatisch, süß, kraftvoll, cineastisch.Die Illusion von Nähe, die man als Zuhörer zu jedem einzelnen Instrument spürt, lässt eine Unmittelbarkeit entstehen, in der sich alle genannten Affekte wie durch ein Brennglas verstärken. Eine „einzigartige klangliche Erscheinung“ nennt es der „Guardian“, „kein Quartett der Welt klingt wie das radio.string.quartet“ schreibt die Süddeutsche“. Ein weiteres Stilelement, das das Klangspektrum maßgeblich erweitert, ist die Art und Weise, wie sich die vier in Wien beheimateten Musiker ihrer Gesangsstimmen bedienen. Sei es ein Song im herkömmlichen Sinn, sei es als Chor, als zusätzliche Farbe zu den Instrumenten oder auch als Zentrum der Komposition: „Die Frage, ob wir auch unsere Stimmen in die Kompositionen einbringen wollen, hat sich in Wahrheit nie gestellt. Als unser intimstes und persönlichstes musikalisches Gut waren sie von Anfang an ein allgegenwärtiger Begleiter - ohne sie würde ein essentielles Element fehlen“.
Auf der Bühne erlebt das Publikum das Quartett als eine Einheit von Individuen: verbunden durch die eigene Sprache, auf sich vertrauend, aufmerksam zuhörend, ein gemeinsames Ziel verfolgend. Sensibel, energetisch geladen und in seiner Unzuordenbarkeit stets stilsicher. Dass das r.s.q auf der Bühne generell auf Noten verzichtet bringt die Kommunikation untereinander sowie mit dem Publikum nochmal auf eine andere, eine erweiterte Ebene. Es verwundert nicht, dass das Quartett seit Jahren ein ebenso gern gesehener wie oft exotischer Gast bei Festivals und in Konzertsälen aller erdenklichen Genres ist. Sein ganz spezieller Zugang sowie die Verbindung aus klassischer Performance und zeitgenössischen wie popularkulturellen Einflüssen macht das radio.string.quartet zum Inbegriff des innovativen und nach vorne schauenden Streichquartetts im 21. Jahrhundert.
Besetzung:
Bernie Mallinger - violins, vocals
Sophie Abraham - violoncello, vocals
Cynthia Liao - viola, vocals
Igmar Jenner - violins