Ob die Begegnung mit der großen Liebe oder einem Betrüger, die Entdeckung von Penicillin oder der Ursprung des Corona-Virus, der Lotto-Gewinn oder das Versinken des Urlaubstraums durch einen Tsunami. Jeder Mensch muss mindestens einmal in seinem Leben verblüffend vor ihm selbst unerklärlichen Ereignissen gestanden und sich selbst gefragt haben: "War das ein Zufall?".
Der berühmte Physiker Albert Einstein hätte jedenfalls darauf geantwortet: "Der Gott würfelt nicht". Insbesondere für diejenigen wiederum, die alles in ihrem Leben unter Kontrolle haben wollen, wäre ein Zitat aus den "Physikern", einem Drama des Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt, passend: "Je planmäßiger der Mensch vorgeht, umso wirkungsvoller trifft ihn der Zufall".
Von der Göttin Týche (Glück) der griechischen Mythologie sowie der mit dem Orakel von Delphi verbundenen, schicksalsgläubigen Weltanschauung über die theologische Gnade Gottes bis zu den heutigen Algorithmen oder der Frage nach der Verwertung von Zufallsfunden im Strafverfahren gelingt es dem Zufallsbegriff, immer wieder für spannende Diskussionen zu sorgen.
Die Frage, ob und inwiefern die Welt und unser Leben zufällig oder vorherbestimmt ist, beschäftigt seit eh und je die Philosophen. Die wohl erste grundlegende Analyse des "Zufalls" findet man in der Physik des Aristoteles (384-322 v. Chr.). Den verwandten Begriff von "Kontingenz", der das Mögliche (Endechómenon) charakterisiert, erarbeitet Aristoteles in seiner Hermeneutik. Erst in der zeitgenössischen Philosophie werden beide Begriffe (Zufall und Kontingenz) synonym verwendet.
Referentin: Prof. Dr. Konstantina Papathanasiou, LL.M. ist seit 2021 Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftsstrafrecht, Compliance und Digitalisierung an der Universität Liechtenstein. Sie studierte 2001-2005 Rechtswissenschaften und absolvierte 2005-2007 den Master in Strafrechtswissenschaften in Athen. Ab 2008 konnte sie mit einem DAAD-Stipendium an der Universität Heidelberg forschen, wo sie anschliessend 2010-2013 u.a. als Stipendiatin der Alexander Onassis Stiftung promovierte. Mit einem Habilitationsstipendium der Universität Regensburg, gefördert durch das BMBF, arbeitete sie 2017-2020 an ihrer Habilitationsschrift. Sie habilitierte im März 2021, ihr wurde im Anschluss die venia legendi für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht, Internationales Strafrecht, Rechtsvergleichung und Rechtsphilosophie verliehen.